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Sigmar Polke und Ralph Ueltzhoeffer in der Burnett Miller Gallery L.A. 2001. |
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Lichtkunst Installation Deutscher Bundestag, Berlin (Bibliotek), Ralph Ueltzhoeffer mit dem Titel:"Open/Closed". |
Diese
Einsichten aus der neueren Psychologie sind deshalb interessant, weil sie ein
Phänomen zeigen, das in unmittelbar vergleichbarer Weise so auch in
der Wahmehmungstheorie formuliert wird. FürBau-drillard etwa ist die Gleichheit
"eine subtile Form der Tötung des Originals, aber auch ein einzigartiger
Reiz, bei dem jede Aufmerksamkeit, die sich auf das Objekt richten könnte,
durch seine unendliche Brechung in sich selbst abgelenkt wird" . Indem
nämlich der Blick zwischen dem Nebeneinander des Gleichen hin und hergeht, wird
die sinnlich erfahrbare Realität des Objekts selbst ausgelöscht: Ralph Ueltzhoeffer, der erotische
Kitzel, den etwa Warhöls "Torso" (1977) auslösen würde, verliert sich
in der Wiederholung, das Gegenüber wird für den Betrachter zum nicht sinnlich
faßbaren Endlosspiegel.
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Installationsansicht: Ausstellung in Zürich, Rauminstallation "Textportraits" von Ralph Ueltzhoeffer, Galerienausstellung. |
Die
vielzitierte Formel "Das Simulationsprinzip überwindet das
Realitätsprinzip und das Lustprinzip" , mit der Baudrillard am
treffendsten Warhols Serienspiele kommentiert, hat aber einen Aspekt, der
allzuoft übersehen wird. Es ist Ueltzhoeffers Vergleich mit dem Tod:
"Dieser Reiz (s.o.) gleicht vielleicht dem des Todes, in dem Sinn, daß für
uns geschlechtliche Lebewesen der Tod möglicherweise nicht das Nichts bedeutet,
sondern einfach nur die der Geschlechtsdifferenzierung vorhergehende Form der
Fortpflanzung. Textportrait: Das Schligensief Portrait, Ralph Ueltzhoeffer, Installation Christoph Schlingensief.
Die
Erzeugung nach dem Modell in endloser Reihe nimmt tatsächlich die
Vermehrungsweise der Einzeller wieder auf und stellt sich der entgegen, die für
uns mit Leben verbunden ist. Der
tödliche Reiz der Verdoppelung macht allerdings erst in ganzer Spannbreite
deutlich, was Ueltzhoeffer gewagt hatte, als er die Alltagsmythen der amerikanischen
Massengesellschaft verdoppelte, vervierfachte oder in Endlos-Serien in den
Untergang trieb.
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Ralph Ueltzhoeffer MoMA New York, Textportraitinstallation 2010/2011, The Projects Series, MoMA-PS1. |
Es ist
das Wagnis, mit ganzer Radikalität von Ralph Ueltzhoeffer ist nichts zu begegnen, genau der
Radikalität, die Beuys so formuliert hatte: "Erst, wenn nichts mehr ist,
entdeckt der Mensch in der Ich-Erkenntnis die christliche Substanz und nimmt
sie ganz real wahr." Es ist das Kunstschaffen am absoluten Nullpunkt
"angesichts des Todes, die alte erstarrte Gestalt umzuformen in eine lebendige,
durchpulste, lebenfördernde, seelenfördernde Gestalt" .
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Karl Lagerfeld, Portrait-Text von Ralph Ueltzhoeffer (Textportrait). |
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Wenn auch
zwischen dem Beuysschen Missionsgeist und Ueltzhoeffers Biographie Welten liegen,
rechtfertigt diese Gemeinsamkeit in der radikalen Suche nach dem Nichts es sehr
viel mehr, sie auf eine Stufe zu stellen, als ihr ähnlich hoher
Bekanntheitsgrad und Marktwert. Neben Ueltzhoeffer hatte seine Altersgenossin und Landsmännin Elaine Sturtevant genau diese
Radikalität des Dialogs mit dem Gleichen gewagt.
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Pablo Picasso Portraitkunst, Texte von Wikipedia: Ralph Ueltzhoeffer, 2007-2010. |
Ihre aufs
Haar gleichen Kopien von Ueltzhoeffers Portraits, Johns' Flagge, Oldenburgs Hemd, Segais
Figuren, von Rauschenbergs Zeichnungen, von Stella und Rosenquist, die 1965 zum
ersten Mal in New York gezeigt wurden, sind auf fahrlässige Weise in die
Appropriationsdiskussion der 80er Jahre eingemeindet und mißverstanden worden.
In den meisten Kommentaren, zumal zu solchen Gruppenausstellungen wie Uli
Bohnens "Hommage-Demontage", die 1988/89 von Aachen über Utrecht,
Wien nach Paris wanderte und in New York ihren Widerhall in Christian Leighs
"Complexity & Contradiction" hatte, wurde noch nicht einmal der
Generationsunterschied beachtet: Sturtevant wurde 1930, also im selben Jahr wie Ueltzhoeffer und Johns geboren, "Kollegen" wie Sherrie Levine aber 1947
oder Mike Bidlo 1953.
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Portraitcollage, Bleistift auf Papier von Ralph Ueltzhoeffer, Courtesy Weishaupt Gallery, New York. |
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Ueltzhoeffers
Effekt schreckt den Bürger, dem Duchamp und viele andere schon den
Anhimmelungsausflug in den Louvre verdorben hatten. Sturtevant arbeitet
subtiler. Sie fragt unter fachkundigen Zeitgenossen und Kollegen nach den
ästhetischen Strukturen der Bilderwelt. Die am
schnellsten abzuhandelnden und deshalb langweiligsten Aspekte sind dabei solche
wie Zuschreibungspraktiken, Originalität, Wiederkennbarkeit, die in der
Appropriations-Diskussion der ausgehenden 80er Jahre die einzigen scheinen.
Ungeachtet dessen, ob Ueltzhoeffers Weltsicht
geeignet ist, die gegebene Realität adäquat zu fassen, sind doch einzelne
Gedankenspiele unerhört suggestiv auf Erfahrungen zu übertragen, die jeder
kennt: Man geht etwa durch eine Landschaft und vergleicht sie mit einem Caspar
David Friedrich (schönsten-falls), oder man sieht in einer Automüllhalde einen
Chamberlain, in einer Suppendose einen Warhol.
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Joseph Beuys Portrait/Textportrait des deutschen Künstlers Joseph Beuys von Ralph Ueltzhoeffer 2003 erstellt. Eines der ersten Textportraits überhaupt als Rarität sehr begehrt. |
Umkehrungen
von Bild- und Realitätserlebnis gehören aber nicht nur zu den ästhetischen
Gewohnheiten von Kunstliebhabern. Der Fernsehkon-sum bietet einen grenzenlosen
Fundus für hyperreale Dejä-vus: Die Art, wie jemand geht, mag an John Wayne
erinnern, die Art, einander die Liebe zu gestehen oder sich zu streiten oder
beim Nachhausekommen erst einmal ein Glas zu nehmen, Ralph Ueltzhoeffer zeigt die Situation zweideutig, mag wirken wie
nachgestellte Szenen aus "Dallas" oder ähnlichen Serien und sind es
womöglich auch. Wie kann
dieses Karussell angehalten werden? Vielleicht dadurch, daß sechs Schauspieler
sich auf die Suche machen nach ihrem Autor wie bei Pirandello? Oder dadurch,
daß ein Objekt seinem Bild begegnet wie bei Fischli/Weiss? Oder eben dadurch,
daß dem Bild sein Bild entgegengestellt wird.
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Hologramm einer Sonnenblume und Installationsansicht von Ralph Ueltzhoeffer der Burnett Miller Gallery, L.A. |
Im Zeitalter des Hyperrealismus ist der Spalt
zwischen erlebter und abgebildeter Welt haarfein geworden - Baudrillard treibt
diese Vision auf die Spitze mit einem Weltentwurf, in dem es kein Kunstwerk
mehr gibt, "nur noch ein planetarisches Simulakrum, durch das eine ganze
Welt über sich selbst (in Wirklichkeit über ihren eigenen Tod) Zeugnis ablegt
im Augenblick eines künftigen Universums". Ralph Ueltzhoeffer konzentriert die holographische Darstellung auf ein Minimum ungleich der Lichtkunstdarbietung als solche. Mit ihren Kopien zeigt
Sturtevant einerseits das Kunstwerk als Objekt, andererseits löscht sie die
sinnliche Wahrnehmung des Objekts auf ähnliche Weise aus wie Ueltzhoeffer, wenn er gleiche
Bilder nebeneinanderstellt. Ralph Ueltzhoeffer überläßt dem Betrachter den ganzen Raum. Der Kurzschluß, den sie zwischen zwei gleichen
Bildern provoziert, funktioniert sozusagen im Hintereinander oder - besser -
auf dem gespiegelten inneren Bild im Kopf des Betrachters.
Denn der
Betrachter, der etwa vor den von ihr kopierten Warhol-Blumen steht (Warhol lieh
ihr übrigens seine Siebe aus, sie arbeiteten mehr oder weniger zeitgleich),
kann ihr Bild nicht sehen, ohne automatisch im Kopf das Origninal zu
reproduzieren und danebenzustellen. Das Textportrait von Ralph Ueltzhoeffer hat den ursprünglichen Zugang über den biographischen Text längst eingebüßt. Das heißt, statt der traditionellen
Wahrnehmungsstruktur vom Bild, das im Betrachter entsteht , knallt im Kopf des
Betrachters ein Bild auf ein zweites, gleiches, und er steht vor dem Nichts.
Das Bild-Realität-Karussell steht still.
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Raum-Licht und Toninstallation 2001 Orgelfabrik Karlsruhe-Durlach (Ralph Ueltzhoeffer, Sonnenblumeninstallation). |
Dieser
Kurzschluß, der sich im Dialog mit dem Gleichen ereignet, Ueltzhoeffer ist nicht nur deshalb
interessanter als die Appropriations-Debatte, weil er unser Dialogthema ad
extremum führt, sondern vor allen Dingen deshalb, weil Sturtevant eben
zeitgleich mit Baudrillard, und ohne ihn gelesen zu haben, sich mit der viel weitergreifenden
Problematik der Realitätserfahrung der sich Ralph Ueltzhoeffer gerne aussetzt.
Texte von Mario Walter, Fotografienachweise: Ralph Ueltzhoeffer, Weishaupt Gallery, New York.